Letzter Kranzgewinn im Alter von 48 Jahren

27. Juli 2020 - 10:00

wolfgang
Wolfgang Rytz

Redaktion

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Während der wegen dem Coronavirus schwingfreien Zeit werden auf www.schlussgang.ch regelmässig Porträts von Schwingergrössen aus der Vergangenheit aufgeschaltet. Heute ist der Walliser Bernard Dessimoz an der Reihe. Sein Porträt erschien im Jahr 2011. Der Walliser Bernard Dessimoz blickt auf eine aussergewöhnliche Karriere zurück. Der eidgenössische Kranzschwinger trat mit 30 Jahren ein erstes Mal zurück. Drei Jahre später kehrte er ins Sägemehl zurück und gewann als 48-Jähriger seinen letzten Kranz.

Zwar weist das Erinnerungsvermögen von Bernard Dessimoz altersbedingt einige Lücken auf, doch an die Eckpfeiler seiner ungewöhnlichen Karriere mag er sich noch gut besinnen. 1956 eroberte der Einzelkämpfer aus dem Wallis in Thun einen eidgenössischen Kranz. «Gegen Schwingerkönig Walter Flach habe ich die einzige Niederlage erlitten», erzählt er. Daneben habe er fünf Gänge gewonnen und zweimal gestellt. «Ja, das war mein schönster Erfolg.»

Inmitten von Schwingerkönigen
Im gleichen Atemzug erwähnt Dessimoz das Schwingfest an der Schweizerischen Landwirtschaftlichen Ausstellung 1954 in Luzern. Der Walliser erreichte bei diesem Anlass mit eidgenössischem Charakter hinter dem aktuellen Schwingerkönig Walter Flach und dem nachfolgenden König Eugen Holzherr, aber vor Max Widmer Rang 3. Ein weiterer grosser Erfolg ist der Sieg 1956 am Südwestschweizerischen in Bulle.

Bernard Dessimoz war ein ausgesprochenes Zweikampftalent mit guten körperlichen Voraussetzungen. Bei 182 cm Körpergrösse wog er über 110 kg, war aber trotzdem athletisch. Das Ringen und Schwingen blieb ihm aber bis ins Alter von 20 Jahren verboten. «In meinem Umfeld akzeptierte man den Zweikampf nicht, das galt sozusagen als Schande.» Er habe deshalb erst mit 21 Jahren begonnen.

Griffschule in der Küche
Vor 65 Jahren war das Schwingen im Wallis so wenig populär wie heute. Der Aufschwung durch die Gebrüder Martinetti in Martigny kam erst später. Deshalb erstaunt der steile Aufstieg von Dessimoz als Schwinger sowie auch als Sägemehlringer. Das Talent aus St. Séverin profitierte vom ehemaligen jurassischen Schwinger Alfred Viat, der ins Wallis gezogen war. Dieser erkannte die Begabung des begeisterten Zweikämpfers Bernard Dessimoz. Für improvisierte Trainings dienten Turnmatten in der Turnhalle oder  Stoffsäcke in Viats Küche. «Das war aber nur gut zum Griffe lernen», schildert der Walliser Eidgenosse seine wenig ideale Trainingssituation. Wohl war er Mitglied des Schwingklubs Bramois, doch fehlten starke und vor allem schwere Trainingsgegner.

Intensives Training
Trotzdem erlebte der Turnlehrer in Zwilchhosen einen schnellen Aufstieg. Mit 23 Jahren gewann der Kurz-Spezialist seinen ersten Kranz. Sein schwingerischer Lehrmeister hatte ihm eine zweckmässige Technik beigebracht. Auch den Brienzer in verschiedenen Varianten sowie die Bodenarbeit, insbesondere den Buur,  beherrschte Dessimoz gut. Entsprechend stieg er im Alter von 28 Jahren in Thun ins Lager der Eidgenossen auf. Drei Jahre zuvor hatte er am Eidgenössischen in Winterthur bereits acht Gänge bestritten.

Den Zweikampf übte er höchstens zweimal pro Woche. Stattdessen trainierte der ausgebildete Turnlehrer zu Hause intensiv mit Gummibändern und Hanteln. «Häufig stemmte ich zehn Tonnen Gewicht an einem Tag», blickt der Walliser Eidgenosse schmunzelnd zurück.

Vierjährige Pause
Nach dem Kilchberger Schwinget 1957, den Bernard Dessimoz auf  Rang 8 beendete, entschloss er sich, das Ringen und Schwingen aufzugeben. «Die Trainingsbedingungen waren zu ungünstig, ausserdem wuchs die Familie», begründet er den frühen Rücktritt aus heutiger Sicht.

Doch der leidenschaftliche Zweikämpfer gab mit 33 Jahren ein Comeback, das 15 Jahre dauerte. «Zwar hatte ich nach der langen Pause weniger Kraft und war deutlich weniger gut in Form.» Aber in der Westschweiz reichte dies trotzdem noch für Kränze. Den allerletzten holte Dessimoz im Alter von 48 Jahren am Walliser Kantonalen. Ein Jahr zuvor hatte er auch am Neuenburger Kantonalfest Eichenlaub gewonnen.

Obwohl er pro Jahr nur fünf bis sieben Feste bestreiten durfte, kam er auf 60 Ringer- und Schwingerkränze. Einzig eine Schwarzsee-Auszeichnung fehlt in der Sammlung.

Leidenschaft nicht verloren
Er glaube, dass die Besten heute stärker seien als früher. «Sie sind unglaublich athletisch und technisch stark.» Dennoch bezeichnet er Ruedi Hunsperger, mit dem er einmal  trainiert habe, als besten Schwinger der Geschichte. Weiter kennt er Karl Meli und David Roschi persönlich, die er vor Jahren nach Wettkämpfen im Wallis zu sich nach Hause eingeladen hat.