
21. Dezember 2012 - 8:32
Im ersten SCHWINGEN. DAS MAGAZIN. wurden die noch aktiven Sieger eines Eidgenössischen Anlasses porträtiert. Als Expo-Sieger 2002 und Unspunnen-Sieger 2006 gehört auch Martin Grab zu diesem Quintett. Heute blicken wir auf die zweite Hälfte des Porträts von Martin Grab in SCHWINGEN. DAS MAGAZIN.
Trainiert und zentriert
Allerdings ist es nicht einfach der Ehrgeiz, der ihn weiter antreibt, und die Hoffnung, mit einem Sieg am Eidgenössischen doch noch die letzte Krönung seiner beeindruckenden Karriere zu schaffen. Vielmehr hält ihn die Freude am Sport selbst im Sägemehlring. „Grundsätzlich trainiere ich gerne und das innere Feuer brennt wie eh und je, was letztlich entscheidend ist, um weiterhin Erfolg zu haben.“ Ob im Kraftraum, bei Koordinations- und Schnelligkeitsübungen oder bei den Trainingsgängen im Schwingkeller: Der Schweiss, der da fliesst, ist nicht einfach verflüssigte Qual, sondern meistens Spass.
Hinzu kommt, dass über das körperliche Training hinaus das Schwingen wie jeder Spitzensport eine Frage der richtigen Einstellung ist. Wenn einer vor dem Gegner im Ring steht, muss er mit sich selbst im Reinen sein. Nur so kann er sich hundertprozentig konzentrieren. „Zentriert sein“, nennt es Grab. Um diesen Zustand zu erreichen, setzen viele Sportler auf mentales Training. Auch Grab besuchte vor Jahren Kurse und machte sich mit entsprechenden Methoden vertraut. Glücklich wurde er damit allerdings nicht. „Ich hatte oft das Gefühl, dass doch etwas fehlte.“ Inzwischen ist er zur Überzeugung gelangt, dass es wichtiger ist, die mentale Seite den ganzen Tag in sämtlichen Aufgaben und Tätigkeiten, also im Sport, Beruf und in der Familie, bewusst zu leben. Wer auf diese Weise im Alltag sich selbst treu bleibe, der sei automatisch auch auf dem Schwingplatz bereit, betont er. Das tönt fast schon abgeklärt, doch man kauft es diesem erfahrenen und geerdeten Schwinger ab, wenn er über dieses «schwingende» Bewusstsein spricht.
Heute muss Grab manchmal schmunzeln, wenn er die Jungspunde in seiner Szene beobachtet, jene 20-Jährigen, für die Erfolg, Bekanntheit und das Gefühl, ein Star zu sein, alles bedeuten. „Ich war in jenem Alter nicht anders“, erinnert er sich. Inzwischen weiss er, dass der berühmte Spruch, Schwingen sei eine Lebensschule, mehr als ein Körnchen Wahrheit enthält. Er habe die Karriere als Reifeprozess erlebt, beteuert er. Heute zählen für ihn Begegnungen und menschliche Werte viel mehr als einfach nur der eigene Sieg oder etwa ein Auftritt im „Sportpanorama“.
Dass er bei allen Erfolgen, die ihm fast schon Heldenstatus verliehen haben, nie abgehoben hat, schreibt er dem Umstand zu, dass er früh Verantwortung übernehmen musste. Als die ersten Erfolge kamen, war Grab bereits Vater. Inzwischen zählt die Familie fünf Kinder. Die beiden ältesten Söhne, 9- und 13-jährig, eifern bereits dem Vater nach. „Während ich mit dem Sport erst als Zehnjähriger begann, ist es heute üblich, dass bereits Sechsjährige im Schwingkeller üben“, kommentiert der Meister die talentierten Versuche des Nachwuchses. Die Chancen stehen also gut, dass Grab auch dann, wenn es mit der eigenen Karriere vorbei sein wird, weiterhin auf den Schwingplätzen anzutreffen ist. „Ich fiebere vielleicht eines Tages mit meinen Söhnen mit“, mutmasst er. So oder so wird er, sollte es einmal definitiv vorbei sein mit dem Schwingen, deswegen nicht in ein emotionales Loch fallen. „Ich finde sicher etwas anderes, was mich ebenso begeistern wird.“
Im Visier: Die Tüpfchen auf dem ö
Zum Beispiel bleibt dann mehr Zeit für Hobbys wie Wandern, Skifahren und Ziegenzucht, die der ausgesprochene Familienmensch schon heute zusammen mit seinen Kindern pflegt. Oder er wird als leidenschaftlicher Fan des HC Ambri noch öfter im Eisstadion aufkreuzen. Zudem existieren da gewisse Pläne, etwa für Ausflüge und aufgeschobene Reisen, zusammen mit seiner Frau. Grab meint, dass es in dieser Beziehung einen gewissen Nachholbedarf gebe. Denn: „Während ich in den letzten Jahren meine Lorbeeren holen durfte, hat meine Frau zurückgesteckt und zu Gunsten von Familie und meiner Karriere auf vieles verzichtet.“
Nun hilft sie ihm mit ihrer kaufmännischen Ausbildung auch noch beim Aufbau des Spenglerei-Betriebes und führt die Buchhaltung. „Ich weiss nicht, welche Frau das alles mitmachen würde“, sagt Grab. Seine Monika sorgt letztlich dafür, dass er die Familie weder als Belastung noch Bürde, sondern als festen Rückhalt und Ort der Entspannung und Erholung empfindet. Und sie macht es möglich, dass er den Spitzensport mit seinem beruflichen und familiären Vollprogramm unter einen Hut bringen kann.
Die ruhigeren Zeiten, die dem Schwinger für sich und seine Frau bereits vorschweben, dürften allerdings noch Zukunftsmusik sein. Vorerst wartet da ein wichtiger Termin mit einer wohl letzten Chance. Packt sie Grab, so verwandelt er seine bereits imposante Karriere schliesslich in eine perfekte. Sollte es jedoch in Burgdorf im sechsten Anlauf wiederum nicht klappen, wird der als König Gescheiterte deswegen keine Trübsal blasen. Denn inzwischen weiss er, dass es für einen Favoriten viel schwieriger ist als für einen jungen Aussenseiter, ein Eidgenössisches zu gewinnen. Bleiben dann als grösste Erfolge die Siege am Expo- und am Unspunnen-Schwinget.
Und was wird danach in der Erinnerung haften bleiben? «Was wichtig ist, verändert sich mit dem Alter», sagt Grab. Für den jungen Schwinger von einst hätten vor allem die Siege gezählt. „Heute jedoch weiss ich, dass ich die ganze Palette von Erlebnissen, die mir das Schwingen geschenkt hat, mein Leben lang nicht vergessen werde.“ Dazu gehörten auch gewisse Niederlagen.
Die Serie Schwingerwoche mit Martin Grab wird am Samstag, 22. Dezember, mit Teil 6 fortgesetzt.
Schwinger
![]() | Grab Martin, Rothenthurm |