Christian Stucki (Teil 5): Porträt aus SCHWINGEN. DAS MAGAZIN.

02. November 2012 - 13:00

In der Schwingerwoche werden Woche für Woche von Mitte Oktober bis Mitte März jeweils täglich Meldungen vom betreffenden Schwinger aufgeschaltet. Derzeit an der Reihe ist Christian Stucki. Heute: Teil 5.

Im vergangenen April war bei der Erstausgabe vom SCHWINGEN. DAS MAGAZIN auch Christian Stucki ein grosser Bericht gewidmet. Heute Teil 1 vom Bericht! Mehr zu SCHWINGEN. DAS MAGAZIN. mit Bestellmöglichkeit unter Abonnieren!

Das Leben: Nicht allein schwingen
Stucki wirft den Motor seines Lasters an und biegt ein auf die unübersichtliche Hauptstrasse. Was ihn nerve? "Hmmm; wenn ich jemandem etwas dreimal erklären muss und er’s dann immer noch nicht ‹kablet›. Da kann ich dann schon ungeduldig werden." Er schaltet einen Gang runter. Peilt die nächste Haarnadelkurve an. Da überholt trotz Gegenverkehr ein Kleinwagen. Stucki tritt voll in die Bremsen, hupt und verwirft die Hände. "Gopferteli", schnaubt er, "na gut, da hast Du’s: solche Sachen können mich auf die Palme bringen. Was wir Chauffeure jeden Tag erleben, das geht auf keine Kuhhaut." Zehn Sekunden später allerdings ist der Zwischenfall schon wieder vergessen.

Mittagspause. Salat und Gemüse sind zu treuen Begleitern von Christian Stucki geworden. Vorbei die Zeiten, als er vier Rahmschnitzel und ein halbes Kilo Teigwaren verdrückt hat. «Ich weiss, dass ich viel essen kann – aber ich muss nicht», bemerkt er. Sogar seiner geliebten Cola Zero hat er inzwischen entsagt. Wasser und Tee halten den Flüssigkeits- haushalt im Lot. «Wenn ich in geselliger Runde sitze, dann gönne ich mir allerdings schon mal gerne ein Glas Wein.» Diese Momente sind ihm wichtig: Mit der Familie zusammensitzen, gemeinsam mit Kollegen etwas unternehmen, mit der Freundin verreisen. "Das Leben", sagt er, "besteht schliesslich nicht einzig und allein aus Schwingen."

Ein Satz, den Christian Stucki gerne wieder- holt. Wie schnell es gehen kann und der Sport zur Marginalie wird, hat er am eigenen Leib erfahren. Mit 20 zwang ihn eine Virusinfektion in die Knie. Stucki lag über vier Monate im Spital und musste mehrere Hauttransplantationen über sein linkes Bein ergehen lassen. Eineinhalb Jahre konnte er weder arbeiten noch trainieren. Das frühzeitige Karriereende drohte. Doch der Seeländer kämpfte sich zurück, schwang in der Folge Sieg um Sieg ein und wurde letztlich zu dem, was er heute ist: Ein absoluter Publikumsliebling.

Wo immer der bärenstarke Brocken auf- taucht, er fällt auf. Egal, ob am Schwingfest, beim Einkaufen oder im Ausgang. In der Regel gehe es in Ordnung, wenn ihn jemand anspreche, meint Stucki. «Und wenn’s mir halt zu blöd wird, sag ich schon mal: Ach ja, der Stucki, der sieht mir anscheinend wirklich ähnlich. Aber sorry, ich bin’s wirklich nicht.» Seinen trockenen Humor schätzt man denn auch in der weiten Medienwelt. Regelmässig ist Stucki – allein / zusammen mit Kollegen / zusammen mit Familie / zusammen mit Partnerin – in den Spalten der Regenbogenpresse anzutreffen. Er lacht: "Wenn ich jemandem sage, ich hätte eine neue Freundin, dann kannst Du sicher sein, dass zwei Tage später eine Journalistin anruft." Das sei wohl der Preis, den man als Promi- nenter zahlen müsse. "Stimmen meine Leistungen, dann ist das weiter kein Problem. Sollte ich aber einmal grad nicht in Form sein, dann heisst es gleich: Jaja, der Stucki! Der soll mehr trainieren als sich ständig fotografieren zu lassen."

Der geheimnisvolle ‹Glongge›
Die Trainings! Im Falle von Christian Stucki ein Thema für sich. Oft schon hat man ihm Trai- ningsfaulheit vorgeworfen. "Ich weiss wohl selber am Besten, wie ich in Form bleibe", bemerkt er, wirft einen Blick in den Rückspiegel und nimmt die Nachmittags-Cheer in Angriff. So legt er sich denn an schönen Sommertagen gerne über Mittag ins Marzilibad, geniesst die Sonne und rennt, wenn’s ihm grad danach ist, die Matte Treppen zum Berner Münster hoch. Oder er fährt mit dem Velo zur Arbeit. Ein bisschen schwingt natürlich auch Koketterie mit, wenn der Ausnahmeschwinger von seinem "bescheidenen Trainingseifer" erzählt. Denn auch Stucki besucht selbst in der Zwischen- saison wöchentlich bis zu vier Mal das Fitness- center, geht regelmässig in den Schwingkeller und setzt auf professionellen Trainerrat.

Eine Aufsehen erregende Aktion wie vor eineinhalb Jahren, als er nach Japan flog, um im Zweikampf mit den besten Sumo-Ringern der Welt an der eigenen Technik zu feilen, wird es heuer allerdings nicht geben. Nach einer Schulteropera- tion im Winter ist ein sorgfältiges Aufbautraining vonnöten. "Ich bin ein Mensch, keine Maschine", sagt er. "Darum kann ich nicht voraussagen, wie die Saison für mich laufen wird. Ich hoffe einfach, besser als die Letzte".

Ein Publikumsmagnet wird der Riese aus dem Seeland so oder so sein. Garantiert. Auch wenn man ihn gerne mit dem gallischen Helden Obelix vergleicht – ein Wundermittel, nein, über das will Christian Stucki nicht verfügen. "Mein Ehren- wort: Ich bin nie in einen Kessel voll Zaubertrank gefallen", schwört er, während ihn sein Laster schön brav mit 80 über die Autobahn chauffiert. Dann stutzt Stucki. Und lacht: "Aber als Kind, daran erinnere ich mich jetzt, hatten wir vor dem Haus eine Pfütze, einen ‹Glongge›. Ich glaub’, da habe ich tatsächlich einmal draus getrunken." Wer weiss, wer weiss.

Die Serie Schwingerwoche mit Christian Stucki wird am Samstag, 3. November, mit Teil 6 fortgesetzt.
 

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Stucki Christian, Lyss